Als die Tontechnik zu Zeiten der Schellackplatten noch in den Kinderschuhen steckte, kümmerte sich zumeist ein Techniker um die gesamte Produktion. Erst im laufe der Zeit setzte eine zunehmend personelle und räumliche Trennung der einzelnen Arbeitsschritte ein. Es entstanden Studios allein für Recording, Mixdown oder das Mastering und mit ihnen hochgradige Spezialisten für ihre Teilbereiche.
Solch ein Luxus wird heutigen Projekten nur noch selten zuteil. Sinkende Budgets, sowie günstige und vereinfachte Produktionsmethoden haben den Trend zum Allroundtechniker wieder aufleben lassen, der natürlich auch vor dem Mastering nicht zurück schreckt.
Das Problem
Das Problem selbst zu Mastern ist für den durchschnittlichen Tontechniker weder das mangelnde Wissen um die „geheime Kunst“, noch das Fehlen hochwertiger Geräte. Es liegt vielmehr in der Natur der Sache. Sobald man sich intensiver mit Audioproduktionen beschäftigt, wird aus unbeschwertem Musikgenuss langsam aber sicher eine Analyse der einzelnen Instrumente mit all ihren Nuancen, möglichen Problemen oder herausragenden Stärken.
Diese Art zu hören ist für Recording und Mixdown essenziell, für das Mastering hingegen kontraproduktiv. Hier wird die Gesamtheit des Songs und dessen Kontext im Vergleich zu anderen Produktionen und dem Zielmedium betrachtet. Verstärkt wird dieses Problem, wenn wir uns an den eigenen Werken versuchen. Wer wochenlang an seinen Songs herum schraubt, dem fehlen Neutralität und Distanz. Die Ohren sind bereits müde, konzentrieren sich auf unwichtige Details, während andere, gravierende Fehler überhört werden. In solch einem Zustand erzielt Mastering eher suboptimale Ergebnisse.
Diese Tatsache gilt gleichfalls für professionelle Dienstleister. Um die nötige Objektivität zu erhalten, ist es besser, einen anderen Techniker oder ein anderes Studio für das Mastering zu bemühen.
Problem gelöst
Distanz
Wird ein komplettes Album zum Nulltarif in den heimischen Wänden aufgenommen, darf man sich natürlich ebenfalls am Mastering versuchen. Der Trick dabei ist die notwendige Distanz zu der eigenen Produktion zu gewinnen. Liegt der Termin für die Veröffentlichung nicht gerade am nächsten Tag, schließt man die Songs für ein bis zwei Wochen – oder besser länger – in den Schrank, bis die Ohren frisch und die Erinnerungen an all die Details etwas verblasst sind.
Mal auf andere hören
Bücher und Zeitungsartikel werden vor der Veröffentlichung Korrektur gelesen, wissenschaftliche Beiträge von Lektoren betreut und bis ein Kinofilm das Licht der Welt erblickt, haben Dutzende Menschen ihren Kommentar abgegeben. Warum nicht das Gleiche mit Audioproduktionen machen?
Ist der Mixdown fertig, schicken wir das File an Freunde und Bekannte, Kollegen, Mitmusiker oder laden es in einschlägige Foren und Portale, wo andere User (mehr oder weniger) konstruktive Kritik äußern. Um zu sagen, was gut oder schlecht ist, braucht es bei etwas so Alltäglichem wie Musik keine Experten. Selbst ein scheinbar sinnloser Kommentar wie „irgendwie klingen die Stimmen komisch“ kann enorm weiterhelfen.
Training
Ein zusätzlicher Schlüssel zum Erfolg ist – wie so oft – Erfahrung. Dummerweise kommt diese selten von allein und selbst nach 100 Stunden Tutorials auf YouTube wird der erste Versuch vermutlich noch kein Meisterwerk. Wer es ernst meint, lässt sich hiervon jedoch nicht abschrecken und trainiert jeden Tag sein Gehör und die eigenen Fähigkeiten. Angefangen mit bewusstem, analytischen Musikhören bis hin zu einfachen Versuchen Mischungen in der Stereosumme zu optimieren. Es ist auch vollkommen in Ordnung, einen Song mit etwas zeitlichem Abstand öfters zu mastern.
Mastering kann sogar bereits bei der Aufnahme und während der Mischung trainiert werden. Mit den Zielen und Notwendigkeiten im Hinterkopf, können wir den Sound so optimieren, dass wir am Ende ein bereits nahezu perfektes Master erhalten.
Sei nicht perfekt
Apropos Perfektion: Ist man ehrlich, gibt es kein perfektes Master. Die Version, die es schlussendlich ins Radio oder Web schafft und somit in das Bewusstsein der Hörer, ist eine von vielen möglichen Variationen. Ein anderer Engineer, ein anderes Studio oder ein anderer Zeitpunkt erbringen ein anderes Ergebnis, das weder besser noch schlechter ist.
Sei daher auch bei deinen eigenen Produktionen nicht zu streng. Je länger du daran werkelst, desto größer ist die Gefahr, diese zu „verschlimmbessern“. Die wichtigsten klanglichen Entscheidungen entstehen innerhalb der ersten 30 Sekunden und sind binnen Minuten umgesetzt. Alles darüber hinaus trägt wenig zum Endresultat bei, kostet aber enorm Zeit (Pareto-Prinzip).
Nicht einschüchtern lassen
Eigentlich müsste man sein Tontechnikstudium mit dem Mastering beginnen, denn hier lernen wir, wie eine erfolgreiche Produktion am Schluss zu klingen hat. Dieses Wissen und Klangvorstellungen helfen, den Mixdown zu perfektionieren, so dass dieser bereits annähernd dem Klangideal entspricht.
Manche Mastering-Profis sind hier jedoch anderer Meinung: „Eine Mastering-Ausbildung ohne Vorbildung würde ein Vollzeitstudium von mindestens 5 Jahren erfordern. Mastering ist die Königsdisziplin der Tontechnik, sodass zur wahren Meisterschaft auch gewisse Voraussetzungen erforderlich sind.“ so Tischmeyer auf seiner Webseite. Immerhin bedeutet diese Aussage auch, dass eigentlich jeder mastern kann, wenn er nur lange genug übt.
Fazit
- Mastering ist weder Voodoo noch eine uneinnehmbare Festung. Mit einem intakten Gehör und genügend Übung kann jeder diesen Teilprozess meistern.
- Das beste Ergebnis erbringen neutrale und unbedarfte Ohren
- Für „no budget“ und „low budget“ Produktionen reichen frei nach Pareto auch 80% Perfektion, die man selbst im eigenen Studio erreichen kann.