Pluginwahnsinn

Manche Menschen sammeln Briefmarken, andere Gartenzwerge und wer der Tontechnik frönt, verfällt leicht dem Pluginwahn. Nach einer schon älteren Auflistung von KVRaudio existieren bereits über 3.400 Plugins, darunter 393 Kompressoren, 264 EQs, 242 Delays und 152 Multieffekte, die nur darauf warten endlich auf unserer Festplatte zu landen.

Doch benötigen wir im Alltag tatsächlich eine so große Auswahl und generell mehr als zwei Equalizer, ein paar Kompressoren und etwas Hall? Mögliche Gründe für die Sammelwut gibt es zu genüge:

Neuer ist besser

Kaum ein Monat vergeht, ohne dass irgendeine Fachzeitschrift ein neues „ultimativ-noch-nie-dagewesenes“ Plugin vorstellt und als umwerfend gut bewertet. Was gestern noch angesagt war, ist heute hoffnungslos veraltet und kann direkt von der Festplatte gelöscht werden.

Teuer ist besser

Mal ehrlich, ein Plugin für umsonst? Kann nix taugen. Ordentliche Software muss einfach etwas kosten. Je höher der Preis, desto professioneller ist auch das Ergebnis. Zudem kann man seinen Freunden auch gleich unter die Nase reiben, was man sich leisten kann und die sich nicht.

Schöner ist besser

Ja mein Gott, wie grauenhaft sieht das denn aus? Und damit arbeitest du? Wie hässlich! Das kann ja gar nicht gut klingen. Hier nimm mal schnell dieses Plugin, schau wie hübsch alles leuchtet und lustig bunt animiert ist. Da kannst du alles nach Augenmaß einstellen und musst gar nicht mehr hinhören.

Fremdhersteller sind besser

Durch den Erwerb eines Sequenzer wie Logic oder Cubase, darf man für das bisschen Geld natürlich nicht erwarten, dass hier hochwertige Effekte beigelegt sind. Diese sind meistens nur Blendwerk und sollten stets durch gute Alternativen von Fremdherstellern ersetzt werden. Denn wenn das EQ Plugin schon soviel wie das gesamte Programm kostet, muss es einfach besser sein.

Sammle sammle sammle

Ohne folgende Pluginsammlung (Straßenpreis um die 10.000 Euro) darf man sich heute nicht mehr aus dem Haus trauen. Da wären: Waves Studio Classic Collection, Lexicon PCM Native Reverb, Pinguin Meter, Sonnox Elite Pack, Audioease Altiverb, Brainworx Bundle, Lawo Plugins…

Der Trugschluss

Werden wir wieder etwas ernster. Tatsächlich ist es mit Plugins wie beim Autokauf, du kaufst nicht das eigentliche Produkt, sondern ein (Lebens-)Gefühl:

„Freude beim Mischen“

Das einzige, was sich beim Wechsel von Marke A zu B ändert, bist du. Allerdings nur die emotionale Seite und nicht die technischen Skills. Wenigstens ist es ein unglaublich befriedigendes Gefühl, Geld für neues (sinnloses) Spielzeug auszugeben.

Klingt Nicht
Diese Plugin sieht komisch aus und wird bestimmt nicht gut klingen. Dabei ist es nur eine andere Ansicht des teuren Waves API Kompressors

So geht’s richtig:

Auch wenn die Vernunft am Ende scheitern wird, möchte ich zumindest kurz aufzeigen auf welche Dinge es bei der Pluginwahl wirklich ankommt.

  • Nutze Plugins, die intuitiv benutzbar sind und schnell Ergebnisse bringen
  • Erwarte keine Wunder von neuen Effekten, wenn dann unterscheiden sie sich nur in Nuancen
  • Beschränke dich auf wenige Tools, bei denen du dich perfekt auskennst
  • Die Qualität der mitgelieferten DAW-Plugins ist grundsätzlich sehr hoch. Die einzigen Gründe um neue zu kaufen sind fehlende Features oder eine schlechte Handhabung
  • Für viel Geld bekommst du oft nur sehr wenig Mehrwert. Freeware und günstige Bundles stehen den teuren kaum hinterher.
  • Zu guter Letzt: schon vor 10 Jahren konnte man geniale Musik mit den damaligen Plugins machen. Techniker aus der „Analogzeit“ wären froh gewesen, hätten sie eine Workstation mit internen Plugins von 2005 gehabt.

Wenn der Mix mal wieder nicht so richtig klingen mag, sitzt das Problem meist vor dem Plugin 😉

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