Digitaler Gain ist (nicht) böse

In manchen Foren herrschen wilde Diskussionen über mögliche Nachteile und Beeinträchtigungen durch digitale Signalverstärkungen und Lautstärkeveränderungen. Schließlich besitzen Bits & Bytes nur eine endliche Auflösung und jede Veränderungen führt zu Rundungsfehler, Quantisierungsrauschen und Verzerrungen.

Anstatt virtuelle Regler zu schubsen, wird die finale Mischung daher teils lieber über analoge Pulte oder Summierer geleitet und beim Mastering sogar auf Normalisierung verzichtet. Doch wiegen diese Begleiterscheinungen so schwer, dass wir besser auf ein analoge Umfeld ausweichen sollten?

Digital

Um die Leistungsfähigkeit aktueller 32 und 64 Bit Float-Engines zu demonstrieren, widmen wir uns einem einfachen Versuch:

  1. Nimm einen modernen Sequenzer mit zehn oder mehr leeren Spuren
  2. Schicke ein beliebiges Signal per Aux Send von einem in den nächsten Kanal und schließlich auf die Summe.
  3. Nun senke den Pegel in jedem zweiten Kanal ab und hole ihn anschließende wieder auf. Du kannst ruhig 40 dB und mehr pro Bearbeitung wählen.
  4. Höre dir das Ergebnis an…

Insofern deine DAW intern mit Fließkommas arbeitet, wirst du keinen Unterschied zwischen Original und vielfach bearbeiteter Version hören.

13db Digitaler Gain Vergleich Analog Engine
Testaufbau für die Leistungsfähigkeit einer DAW
13db Digital Gain Kette
Das Signal wandert von Links durch alle Kanäle bis auf den Master und wird abwechselnd um 5dB in der Lautstärke beeinflusst

Analog

Der gleiche Versuch in analoger Umgebung hinterlässt hingegen deutlich mehr Spuren. Während die Signaldämpfung durch einen passiven Widerstand annähernd verlustfrei geschieht, generiert der Aufholverstärker jeweils etwas Eigenrauschen und leichte Verzerrungen. Dies ist in der Praxis zwar nicht viel, über die Vielzahl der Spuren und den benötigten hohen Verstärkungswerten, werden diese Artefakte jedoch selbst bei hochwertigster Hardware hörbar.

13db Verstärkerrauschen Analog
Simuliertes Verstärkerrauschen: 4 mal -100 dB Rauschen ergibt am Ende einen sicht- und hörbaren Ausschlag

Fazit

Solange wir uns in praktisch relevanten Bereichen aufhalten und mit modernen Geräten arbeiten, sind weder digitale Veränderungen noch größere analoge Verstärkungen ein Grund zur Sorge. Summierungen, geringe Pegeländerungen und Normalisierungen lassen sich ohne Bedenken durchgeführen. Ein Wechsel auf die analoge Ebene ist eher ein Ausdruck der persönlichen Arbeitsweise und Geschmacksempfinden, aber nicht zwangsläufig notwendig und kann durch die zusätzlich notwendige DA-AD Wandlung sogar kontraproduktiv sein.

Wie bei vielen Themen gilt: Wenn die Mischung am Schluss nicht klingt, alles rauscht und zerrt, sind vermutlich ganz andere Dinge daran schuld …

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