Standards

Musik

Musik als kreatives Produkt kennt weder Vorschriften, Regeln noch Standards. Jeder darf den Sound nach seinen Wünschen formen und wenn dazu ein besonders lautes Endprodukt gehört, soll es so sein.

Laute Master werden jedoch selten aus künstlerischen Aspekten erstellt. Warum sollten wir ein liebevoll aufgenommenes und gemischtes Produkt am Ende mit dem Limiter gegen die Wand fahren? Viel mehr sind Unwissenheit (Täuschung der Ohren) und Konkurrenzdruck der ausschlaggebende Faktor.

Im gewissen Sinn gibt es nämlich doch Standards. Standards, die uns Plattenfirmen seit Jahrzehnten durch ihre Produktionen vorgeben und dank der technischen Möglichkeiten gehört dazu auch eine enorme Lautheitssteigerung. Viele Hörer sind bereits konditioniert und empfinden zu dynamische Abweichungen als unangenehm und ungewohnt. Im professionellen Umfeld würde man einen solchen Sound als „nicht amtlich“ oder „nicht kommerziell genug“ bezeichnen.

Verlassen wir den Pop-Rock Bereich Richtung Jazz oder Klassik, geht es auch anders. Wer bei Beethovens Fünfter Symphonie den Maximizer zückt, wird vom Dirigenten persönlich mit dem Taktstock erschlagen. Ein anderes Extrem, wobei auch hier der Limiter ab und an seinen Siegeszug feiert.

Moderne Jazz Musiker wie Alex Bugnon schaffen hingegen einen gesunden Mittelweg. Seine Lieder sind voller Restdynamik und besitzen dennoch einen modernen, offenen Sound mit viel Druck und Brillanz. Diese Art zu Mastern und Mischen lässt sich auch in den Pop-Rock Bereich übernehmen, wenn man nur will.

Verschieden Produktionen von Alex Bugnon. Selbst die Kommerziellste (unten links) ist noch sehr Dynamisch.
Verschiedene Produktionen von Alex Bugnon. Selbst die kommerziellste (unten links) ist noch sehr dynamisch.

TV und Werbung

Was die Musikindustrie erfolgreich verdrängt, ist seit 2013 Realität im Fernsehen: dank R 128 wird der Sendeton nicht mehr nach technischen Spitzenpegel sondern Lautheit ausgesteuert. Panische Hechtsprünge zur Fernbedienung in den Werbepausen gehören damit der Vergangenheit an, kein noch so hoch komprimierter Inhalt ist im Schnitt lauter als der eigentliche Fernsehfilm.

Diese Umstellung nimmt den Loudness War den Wind aus den Segeln. Um auf die erforderlichen -23 LU zu gelangen, muss selbst Sprache nur wenig komprimiert werden, eine ordentliche Musikmischung ist ohne weitere Summenbearbeitung laut genug. Wer ins alte Schema zurückfällt und die Limiterkeule schwingt, wird automatisch im Pegel abgesenkt. Anstelle subjektiver Klangverbesserungen glänzt das Material nun mit hörbar negativen Artefakten.

Filmton

Kino und schlechter Ton? Zum Glück eher eine Seltenheiten. Dank genormter Bauweise, zertifizierten Lautsprechersystemen und immer gleiche Produktionsstandards, sorgt die Branche selbst für ein konstant hohes Qualitätsniveau.

Innerhalb der Postproduktion gibt es Zielwerte für Dialoge, Musik und Soundeffekte die strikt eingehalten werden. Eine konstante Abhörlautstärke um 85 dBSPL fördert die linearität des Gehörs während der Mischung und erleichtert Vergleiche zwischen unterschiedlichen Eingangsmaterialien.

Fazit

In der professionellen Musikproduktion mangelt es weder an Techniken noch Ideen um den Lautheitswahn unter Kontrolle zu halten. Unlängst hat Bob Katz ein „K-System“ und Friedemann Tischmeyer ein „DR-Meter“ zur expliziten Verwendung im Mastering entworfen, die dem Engineer und Kunden auf einfachste Art die optimale Lautheit offenbaren. Doch solange besonders Laut als „Industriestandard“ gilt, müssen mir uns am Ende den Kundenwünschen beugen.

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