Für die Abnahme einer E-Gitarre oder korrekterweise die Abnahme des verstärkenden Lautsprechers, benötigen wir ein bis zwei Mikrofone, oft eine Kombination aus dynamischem und Kondensator, sowie jede Menge Fingerspitzengefühl, um das Ergebnis auf den Millimeter genau zu tunen.
Positionierung
Bereits geringe Unterschiede in Abstand und Neigungswinkel führen nahe am Lautsprecher zu deutlichen Klangunterschieden. Ideal ist daher die Arbeit im Zweierteam: Der Tontechniker sitzt akustisch abgeschottet in der Regie und beurteilt den Klang, während ein Helfer (mit Gehörschutz) das Mikrofon langsam auf verschiedene Positionen bewegt, bis der Sweet-Spot gefunden ist.
Besitzt die Box mehrere Lautsprecher, etwa bei der 2x12er oder 4x12er, lohnt ein kurzer Vergleich. Eventuell klingt ein Speaker besonders gut oder ist gar beschädigt. Den Gesamtsound aller verbauten Lautsprecher einzufangen ist ebenfalls denkbar, könnte jedoch zu Phasenproblemen oder durch den notwendigen Abstand zu einem erhöhten Raumanteil führen.
Wohin mit der Box?
Ein anderer Art der Positionierung betrifft den Standort der Box im Raum. Reflexionen vom Boden oder den Wänden und der Decke können sich mehr oder weniger günstig auf den Klang auswirken. Kleine „Tricks“ wie ein untergelegter Teppich, eine leicht nach oben gewinkelte Box oder erhöhte Position auf einem Stuhl können hörbar positive Wirkung entfalten. Um Flatterechos zu mindern, sollte die Box schräg auf die gegenüberliegende Wand zielen.
Soundsuche
Bei E-Gitarren interessiert uns überwiegend der trockene, direkte Sound, den wir nahe am Lautsprecher erhalten. Close-Miking um die 10 cm, das Mikrofon kurz vor dem Schutzgitter der Box, sind eine gute Ausgangsbasis.
Sowohl in der horizontalen als auch vertikalen Richtung finden wir starke Klangunterschiede. Für einen aggressiven und höhenreichen Sound ist die Mitte des Lautsprechers ideal, weiter gen Rand wird es wärmer, ausgeglichener aber auch dumpfer. Durch eine leichte Winkelung des Mikrofons können wir das Ergebnis weiter finetunen.
Wie sich das Ganze in der Praxis auswirkt, zeigen die folgenden Videos:
- Soundbeispiel für fünf typische Positionen und deren Mischung (ab 1:40)
- SM 57 in verschiedenen Positionen und Winkeln am Lautsprecher
- SM 57 an einem Fender Combo
- Mitch Gallagher und Don Carr zeigen verschiedene Mikrofonpositionen
Multi-Mic und andere Positionen
Die Abnahme mit lediglich einem Mikrofon ist in vielen Fällen ausreichend, möchten wir jedoch allen Nuancen einzufangen und den Klang im Mix flexibel variieren, sind weitere Position erforderlich. Bereits mit zwei Mikrofonen können wir die Obertöne in der Mitte und die Wärme des Randes deutlich besser kombinieren und am Mischpult in einem beliebigen Verhältnis regeln.
Rückseite
Auf der Suche nach tiefen Signalanteilen werden wir bei offenen Boxen von hinten fündig. Das Mikrofon wird hierfür in etwa 10 cm Entfernung auf die Rückseite des Lautsprechers gerichtet.
Raumton und entfernte Mikrofonpositionen
Je nach Stil und Qualität der Raumakustik können wir dem Abstand vom Lautsprecher auch deutlich erhöhen und so den Gesamtsound sowie Raumanteil auffangen. Brauchbare Positionen liegen dabei zwischen 20 und 100 cm, wobei mit zunehmender Entfernung ein empfindlicheres Kondensatormikrofon seine Vorteile ausspielt. Das Ergebnis kann mit dem Direktsignal gemischt werden.
Achtung Time-Alignment
Damit es später gut klingt, müssen alle Kanäle korrekt in Zeit und Phasen ausgerichtet sein. Dies können wir bereits bei der Aufnahme durch den Abstand und eventuell ein Delay oder einen Phasendreher umsetzen oder später im Sequenzer nachbearbeiten.
Mikrofone
Der Klassiker an der Box ist ein Shure SM57 oder der obenrum etwas hellere Nachfolger Beta 57. Darf es lieber ein Sennheiser sein oder sollen die tiefen Mitten kräftiger erschallen, erledigt das MD 421 seit mittlerweile 64 Jahren einen hervorragenden Job. Aus gleichem Hause stammt ebenfalls das extra für die eGitarre entwickelte e906 und e609, dass sich von oben über den Speaker geworfen und am Kabel mit Klebeband fixiert, auch ohne Stativ befestigen lässt.
Verlassen wir die dynamischen Vertreter, sind nahezu alle pegelfesten Kondensatormikrofone denkbar, etwa ein AKG C414, diverse Neumänner aber auch Bändchenmikrofone wie das Royer 121 oder das Bayerdynamik M160 sind als Allzweckwaffe bekannt.
Ansonsten funktionieren natürlich auch viele hundert andere Mikrofone, die weder auf Webseiten, noch in Fachliteratur oder YouTube-Videos erwähnt werden. Selbst mit preiswerten USB-Großmembran-Kondensatormikrofonen sind erstaunliche Ergebnisse möglich.
Modell | Charakteristik | Bauform | Preis |
Shure SM 57 | Niere | Dynamisch | 100 |
Shure Beta 57A | Superniere | Dynamisch | 140 |
Sennheiser MD 421 | Niere | Dynamisch | 400 |
Sennheiser e906 | Superniere | Dynamisch | 160 |
AKG C414 | schaltbar | Kondensator | 700 |
Royer 121 | Acht | Bändchen | 1400 |
Bayerdynamik M160 | Hyperniere | Bändchen | 450 |